Der naturnahe Umbau des Höchster Wehres
Das Höchster Wehr ist das unterste der sechs Frankfurter Nidda-Wehre und es wurde als erstes erbaut. Über die interessante Geschichte des alten höchster Wehres erfahren Sie hier mehr:
Mit der Planung zum Umbau des Wehres wurde im Jahr 2000 begonnen. Bevor in den Jahren 2012 und 2013 die ehrgeizigen Umbaupläne realisiert werden konnten, musste ein Planfeststellungsverfahren durchlaufen werden, bei dem es zahlreiche Einwendungen gab, vor allem wegen der befürchteten Verschlechterung der Hochwassersicherheit. Außerdem mussten Grundstücke mit einer Gesamtfläche von fast 3 Hektar erworben oder gegen städtische Grundstücke getauscht werden – die Verhandlungen mit den Eigentümern zogen sich über drei Jahre hin. Dann aber konnte es losgehen, folgendes geschah:
Streichwehr
Die bestehende Wehranlage wurde zu großen Teilen abgebaut und durch ein etwa 75 Meter langes, schräg in den Flusslauf gestelltes festes Streichwehr ersetzt. Das Wehrhäuschen aus dem Jahr 1924/1925 auf der rechten Nidda-Seite blieb mitsamt der noch original möblierten Wärterkammer erhalten; der verbleibende „Brückenkopf“ des Wehrsteges wurde zu einer Aussichtskanzel umgebaut. Die Überfallschwelle des Streichwehres ist durch eine Spundwand fixiert, damit das Wehr dem Wasserdruck standhalten kann. Dafür wurden zehn Meter lange Spundbohlen in die Erde eingelassen. Der Wehrrücken wurde mit hellen Taunusquarzit-Steinen geschüttet, also mit autochthonem Material, will sagen: Es stammt aus der Gegend. Was hat es mit einem Streichwehr auf sich? Folgendes:
Das Umgehungsgerinne
Östlich des jetzigen Nidda-Bettes wurde ein etwa 150 Meter langes, rund zehn Meter breites, naturnah gestaltetes Umgehungsgerinne gegraben. Ein solches Gerinne ist herkömmlichen Fischaufstiegsanlagen, etwa Fischtreppen, überlegen, da es der natürlichen Flussgestalt nachgebildet ist. Es hat ein Sohlgefälle von nur 1,5 Prozent und kann daher von den Fischen mühelos durchwandert werden. Die höchste Stelle des Umgehungsgerinnes wurde an der Abzweigung von der Nidda wie das Wehr mit einer Spundwand fixiert. Im Auslaufbereich zur Nidda wird durch eine leichte Verengung des Gerinnes eine Lockströmung erzeugt, die den Fischen den Weg flussaufwärts weist. Zwischen Nidda und Umgehungsgerinne entstand eine Kiesinsel in der Nidda.
Hochwasserdamm und Uferweg
Am linken Nidda-Ufer gab es in Höhe des Höchster Wehres einen niedrigen Hochwasserdamm. Dieser Damm wurde abgetragen und um etwa 120 Meter landeinwärts verlegt. Der neue Damm erhielt dieselbe Kronenhöhe wie der alte, er gewährleistet daher die gleiche Hochwassersicherheit. Durch die Verschiebung des Dammes entsteht ein zusätzliches Retentionsvolumen von etwa 16.500 Kubikmetern, die ausgedeichte Fläche wird etwa alle zwei bis fünf Jahre vom Hochwasser des Mains überschwemmt.
Weitere Erläuterungen zum Retentionsraum finden Sie hier:
Einen Überblick über den Umbau des Höchster Wehres können Sie sich hier verschaffen, indem Sie sich hier den Ausführungsplan als pdf-Dokument herunterladen:
Die Hochwassersicherheit bleibt erhalten
Die hydraulischen Berechnungen ergaben, dass sich die Wasserspiegellagen der Nidda bei unterschiedlichen Abflüssen nur unwesentlich ändern: Das tiefe Abflussprofil des beweglichen Wehres wird durch das breite Profil des Streichwehres vollständig kompensiert. Bei einem Katastrophenhochwasser – angesetzt wurde ein Abfluss von 165 Kubikmetern in der Sekunde – ist die neue Konstruktion rechnerisch und im Hinblick auf die Hochwassersicherheit günstiger als die alte. Maßgeblich ist im unteren Abschnitt der Nidda aber nicht das Wasser der Nidda: Bei einem starken Hochwasser des Mains drückt dessen Wasser in die Nidda hinein. Der Rückstau des Mains erzeugt Wasserspiegellagen, die bei einem hundertjährlichen Hochwasser weit höher als die der Nidda liegen.
Die Zahlen dazu finden Sie hier:
Uferweg
Der Uferweg wurde auf dem neuen Hochwasserschutzdamm angelegt. Er führt in einem Bogen um einen Altarm der Nidda und den Rückhalteraum herum und wurde mit einem für Fußgänger und Radfahrer gut geeigneten, ästhetisch ansprechenden hellen Asphalt befestigt.
Neue Brücke über die Nidda
Der Wehrsteg, der im Zuge des Wehrumbaus entfernt werden musste, wurde durch eine komfortablere Fuß- und Radbrücke aus Stahlbeton ersetzt. Die etwas oberhalb der Sulzbachmündung gelegene Brücke mit einer Spannweite von 30 Metern schließt ebenerdig an die Nidda-Uferwege an und ist daher auch für Rollstuhlfahrer gut passierbar, während der Wehrsteg für Rollstuhlfahrer gänzlich ungeeignet war und Radfahrer ihre Räder die Treppen hinauf- und hinabtragen mussten. Zudem ist die Brücke mit einer Breite von drei Metern zwischen den Geländern wesentlich breiter als der schmale, nur 1,60 Meter breite Wehrsteg.
Der Bau
Für den Umbau des Höchster Wehres wurden 15.000 Kubikmeter Erde bewegt, 10.000 Tonnen Wasserbausteine verarbeitet, eine Brücke und 600 Meter Uferweg neu gebaut. Ein solches Großprojekt in einem intensiv genutzten städtischen Umfeld durchzuführen, ist nicht ganz einfach und bringt Einschränkungen für die Menschen mit sich. Einen Bericht über die Bauarbeiten finden Sie hier:
Kosten und Finanzierung
Die Projektkosten betragen 3,7 Millionen Euro, in der Summe enthalten sind außer den Planungs- und Baukosten die Ausgaben für Grunderwerb und Projektsteuerung sowie Genehmigungsgebühren. Hier können Sie sich über die Einzelheiten informieren:
Vorläufiges Fazit
Knapp zwei Jahre nach Beendigung der Umbauarbeiten lässt sich im Januar 2015 ein erstes kurzes Fazit ziehen: Das Ziel, die Nidda durchgängig zu machen, wurde erreicht, dies haben die fischökologischen Untersuchungen gezeigt. Ganz ohne Untersuchung lässt sich erkennen, dass die neu entstandene Flusslandschaft den Leuten gefällt. Um dies festzustellen, genügt es, an einem schönen Sommertag das Treiben auf dem Uferweg und am kleinen Nidda-Strand zu beobachten.
Dabei kann es natürlich zu Konflikten kommen, zum Beispiel zwischen dem Ruhebedürfnis der auf den Kiesbänken laichenden Fische und dem Wunsch der Strandbesucher, gerade dort im Wasser zu plantschen. In einer Großstadt sind unterschiedliche Nutzungsansprüche aber allgegenwärtig. Die Stadtentwässerung hat daher bewusst darauf verzichtet, mit Verboten regulierend einzugreifen. Nur durch Verständnis und Rücksichtnahme aller kann der jetzige Zustand erhalten werden.
Beteiligte
- Planung und Bauleitung Wasserbau, Sicherheits- und Gefahrenkoordination: Brandt Gerdes Sitzmann Wasserwirtschaft GmbH, Darmstadt
- Planung und Bauleitung Brücke: Schütz Ingenieurbüro GmbH, Schöneck
- Planung und Bauleitung Freianlagen: Landschaftsökologie + Planung, Fürth
- Baugrunduntersuchungen: ISK Ingenieurgesellschaft mbH, Rodgau
- Prüfstatik: Dipl.-Ing. Sait Diyap, Frankfurt am Main
- Bauausführung: Bauunternehmung Albert Weil AG, Limburg/Lahn
- Projektleitung, Bauüberwachung Wasserbau: Stadtentwässerung Frankfurt am Main
- Bauüberwachung Brücke: Amt für Straßenbau und Erschließung